Orthesen und Bandagen dienen zur Therapie und Prophylaxe von Verletzungen und Erkrankungen des aktiven und passiven Bewegungsapparates.
Wirkungsweisen von Orthesen und Bandagen
Die Wirkungen auf den Bewegungsapparat
⇒ viele Faktoren wirken zusammen, nicht isoliert
direkte mechanische Wirkungen:
- Führung / Stabilisierung
⇒ Orthese
- Entlastung
⇒ Orthese
- Fixation / Immobilisation
⇒ Orthese
- Korrektur
⇒ Orthese
- Kompression
⇒ Orthese (auch partiale, gezielte Kompression)
⇒ Bandage (zirkuläre Kompression)
indirekte Wirkungen
⇒ Orthesen und Bandagen
- Propriozeptive Wirkung
⇒ Beeinflussung von nervalen Strukturen - Rheologische Wirkung
⇒ Beeinflussung von Versorgungssystemen - Psychische Wirkung
⇒ Gefühl der Sicherung
- Schmerzmindernde Wirkung
Bandagen
⇒ Unterstützen die interne aktiv-muskuläre Stabilisierung durch Stimulierung der propriozeptiven Reflexbögen.
⇒ können aufgrund der textilen und elastischen Trägermaterialien außer der Kompression keine direkten mechanischen Wirkungen leisten.
Führung / Stabilisierung
Mechanische Führung und Stabilisierung von Gelenken
Orthesen
⇒ passiv externe Stabilisierung
Gelenk übergreifende Formteile:
- Aktive Führung:
Eingebaute mechanische Gelenke - Passive Führung:
Führung des Gelenkes mittels Schalenformelementen
(z.B.: oberen Sprunggelenks durch eine doppelseitige Schalenorthese mit Freiraum zum Fußrücken ⇒ Heben und Senken des Fußes (Dorsalflexion, Plantarflexion) möglich ⇒ Funktion der Seitenbänder mechanisch und propriozeptiv unterstützt = Bänder entlastet und das Gelenk stabilisiert.)
Entlastung:
mechanische Entlastung überbeanspruchter oder geschädigter Strukturen zur Behandlung von Reizungen, Überlastungszuständen und während der Ausheilung von Verletzungen.
Entlastung direkt:
- Kräfte werden auf Orthesen und Schienen übertragen.
Entlastung indirekt:
- Bewegungsbegrenzung,
- Bewegungsführung (mechanisch und propriozeptiv)
- Lastumverteilung
⇒ innerhalb des Bewegungsapparates – (Lastumlenkung vom verletzten Gewebe auf andere, gesunde Strukturen) –oder
⇒ vom Bewegungsapparat direkt auf die Orthese - Minderung der Muskelspannung,
- Immobilisation.
Totale Entlastung ist auch bei Überbrückung eines Gelenks und scheinbar vollständiger Lastübernahme des Körpergewichtes durch die Orthese nicht möglich, weil auch durch den muskulären Ruhetonus ein Zug weiterhin auf das Gelenk wirkt.
Eine vollständige Entlastung von Teilen des Skeletts ist nur durch aktive Extension des Gelenkes möglich, aber meist nicht nötig.
Fixation / Immobilisation
Immobilisation von Gelenken durch Orthesen mit gelenkübergreifenden Formteilen
- Immobilisations-Orthesen (z.B.: Kniegelenk KIS-Schiene) fixieren das Gelenk in der gewünschten Position.
Je nach Hebellänge und Weichteilgewebe zwischen Orthese und Knochen kann eine Immobilisation von 20% (z.B.: LWS) und 90% (z.B.: Hand-, Sprunggelenk, Knie) erreicht werden.
Korrektur
Fehlstellungen in physiologische Normalform bringen
- Quengeln
⇒ Fehlstellungen u/o. Kontrakturen mit leichtem Zug / Druck langfristig behandeln
- Sichern der korrigierten Haltung
zum Beispiel:
- übermäßige Krümmung der Lendenwirbelsäule ⇒ 3-Punkt-Orthese (Hyperextensionsorthese) ⇒ Delordosierung der Lendenwirbelsäule.
- X- oder O-Bein ⇒ 3-Punkt Knieorthese ⇒ wirkt der Varus / Valgus – Neigung des Knies entgegen
Kompression
elastische Bandagen; gezielte Druckanlagen in festen Orthesen
- komprimierende Wirkung. Kompression bedeutet:
⇒ Ausübung von Druck auf das darunter liegende Gewebe. - rheologische Wirkung auf ein bestimmtes Gelenk fokussiert – durch den Einsatz von Pelotten verstärkt.
- gesamte Gelenkregion komprimiert – durch individuell angeformte Druckpolster (Pelotten) entstehen keine Kompressionsfenster
- Weichteile des Gelenks werden wirksam und wenn möglich intermittierend komprimiert – intermittierende Kompression ⇒ entspricht dem Wechsel von Ruhe- und Arbeitsdruck (z.B.: der Wadenpumpe)
- intermittierende Kompression
⇒ verbessert die Versorgungslage im Gelenk
⇒ unterstützt den Abbau von Schwellungen und Ergüssen (Ödemen und Hämatomen).
Propriozeptive Wirkung:
Propriozeption = Stellungs-, Kraft- und Bewegungssinn
Reflexbögen:
- sind Teil der kybernetischen Regelkreise
- lösen unbewusste (reflexhafte) Muskelaktionen zur Gleichgewichtserhaltung und Gelenksicherung aus.
Propriozeptoren:
- sind Bewegungsmelder / Signalgeber im gelenknahen Haut- und Muskelgewebe
- signalisieren die Spannung in den jeweiligen Strukturen und die Gelenkstellung
- können bei mangelhafter Reizung bestimmte stabilisierende Muskelgruppen nicht ansteuern ⇒ Folge: Abschwächung bzw. Verkürzung der o.g. Muskeln (muskuläre Dysbalance) ⇒ Gelenkschaden.
Friktionspelotten:
- sind Polster / Hautanlageflächen die bei Bewegung des Gelenkes stimulierend auf die Propriozeptoren wirken.
Rheologische Wirkung
Durchblutungssteigerung durch
- mechanische Stimulation
⇒ Bewegung des Gelenks beim Laufen und Gehen bewirkt neben der Muskelaktivität eine passive Massage durch Bandagen-Haut-Anlage - Wärmewirkung
⇒ Muskelaktivität und Wärmeisolation (bei z.B.: Neoprenmaterial)
Psychischer Effekt
Gefühl der zusätzlichen Sicherung
- Nach Verletzungen, bei Arthrose und nach operativen Eingriffen
- Reduzierung von Schonhaltungen / gestörten Bewegungsmustern
- Kompensation funktionaler Defizite
Wirkung auf die Schmerzempfindung
Schmerzreduzierung durch:
- Ruhigstellung, Entlastung der beschädigten Areale
⇒ sinkende Schmerzreize mindern die reflektorische Muskelspannung im Schmerzgebiet ⇒ Entlastung von gereizten und schmerzempfindlichen Sehnen-Knochenübergänge ⇒ nochmals nachlassender Schmerz. - Kompression von Skelettmuskeln ⇒ Schmerzminderung möglich
Dadurch:
- Minderung der chronischen Bewegungseinschränkung durch Schonhaltungen wegen Schmerzen
- Risikosenkung der Chronifizierung des Schmerzzustandes